Zeiterfassung nach dem Urteil des BAG

Am 13.09.2022 hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Arbeitgeber verpflichtet sind, ein System zur Erfassung der von den Arbeitnehmern geleiteten täglichen Arbeitszeiten einzuführen. Im Dezember wurde dann der Volltext veröffentlicht, der Link dazu befindet sich in den Quellenhinweisen.


Was hat der BAG entschieden?

Mit dem Entscheid des BAG sind nicht nur anfallenden Überstunden zu erfassen, sondern die gesamte Arbeitszeit von Beginn bis Ende. Wörtlich sind „sämtliche“ Arbeitszeiten zu erfassen, damit sowohl die Höchstarbeitszeiten und die Ruhezeiten nachvollziehbar sind bzw. eingehalten werden.

Das BAG unterscheidet dabei weder den Status des Arbeitnehmers noch den konkreten Tätigkeitsort. Es sind also die Arbeitszeiten aller Angestellten, Auszubildenden, Praktikanten usw. zu erfassen und dies auch unabhängig davon, ob diese in der Fertigung, im Büro, im Außendienst oder Home-Office tätig sind.


Wie muss die Arbeitszeit erfasst werden?

Allerdings lässt der BAG die Art der Erfassung offen. Es wird lediglich vorausgesetzt, dass die Erfassung objektiv und verlässlich erfolgen muss. Eine Vorgabe, ob die Erfassung durch ein digitales Zeiterfassungssystem, per Excel-Tabellen oder analoge Papiernachweise erfolgt, gibt es nicht. Auch wird nicht geregelt, ob die Erfassung durch den Arbeitnehmer in Eigenverantwortung geführt werden darf. Bei einer manuellen Erfassung gehen wir jedoch davon aus, dass zumindest von Zeit zu Zeit ein Abgleich mit dem Arbeitgeber erfolgen sollte und dabei dann die bisherigen Erfassungen in einem unveränderbaren Zustand abgelegt werden. Sind über einen längeren Zeit Veränderungen an den gemachten Aufzeichnungen möglich, dürfte die Verlässlichkeit durchaus beeinträchtigt sein.


Das Ende der Vertrauensarbeitszeit oder Arbeitszeitkonten?

Unstrittig dürfte nach den Ausführungen des BAG sein, dass die reine Vertrauensarbeitszeit nicht mehr umsetzbar ist. Da „sämtliche“ Arbeitszeiten zu erfassen sind, ist eine zielbasierte und erfassungslose Arbeitszeit nicht mehr möglich. Jedoch dürften Arbeitszeitkonten weiterhin funktionieren. In diesem Fall erfasst der Arbeitnehmer seine Arbeitszeit, darf diese aber frei bestimmen. Dem Grundsatz, dass die Höchstarbeitszeit nicht überschritten und die Ruhezeiten einzuhalten sind, steht dies nicht im Wege. Die Mitarbeiter sollten nach unserem Verständnis jedoch bezüglich der Grenzen der Arbeitszeit belehrt werden. Möglicherweise bietet sich sogar eine unternehmensweite Regelung im Rahmen einer Betriebsvereinbarung an.


Und was ist mit dem Datenschutz?

Grundsätzlich kann erstmal festgehalten werden, dass die Arbeitszeiterfassung nach der Entscheidung des BAG eine gesetzliche Pflicht des Arbeitgebers ist. Damit hat der Verantwortliche eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung personenbezogener Daten gem. Art. 6 Abs. 1 lit. c DSGVO (rechtliche Verpflichtung) i.V.m. §26 Abs. 1 S. 1 BDSG. Trotzdem sind bei allen Überlegungen zur Ausgestaltung der Arbeitszeiterfassung die Grundsätze des Datenschutzes zu berücksichtigen.


Das Mittel der Erfassung muss angemessen sein!

Aus der Notwendigkeit ergibt sich, dass der Umfang der erfassten Daten auf die Daten beschränkt werden muss, die zur Erreichung des Zwecks notwendig sind. In einer listenhaften Darstellung dürfte dies der Name oder die Personalnummer des Arbeitnehmers, der Tag an dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, sowie der Beginn und das Ende der Arbeitszeit sein. Pausenzeiten dürften ebenfalls erfasst werden, denn das Arbeitszeitgesetz sieht auch entsprechende Ruhepausen vor.

Nicht notwendig wird dabei eine Erfassung der Arbeitszeiten bzw. ein Ein- und Ausstempeln mittels Fingerabdruck sein. In diesem Fall werden biometrische Daten verarbeitet, die gem. Art. 9 DSGVO besonders geschützt sind. Die Notwendigkeit zu Erhebung dieser Daten wird i.d.R. nicht vorliegen oder nachweisbar sein. Denkbar ist hier allenfalls eine freiwillige Nutzung durch den Arbeitnehmer auf Basis einer Einwilligung. In diesem Fall steht ihm die Arbeitszeiterfassung z.B. per RFID-Token oder Benutzername zur Verfügung, er kann die Möglichkeiten zur Anmeldung jedoch freiwillig um den Fingerabdruck erweitern. Auch hier bietet sich ggf. eine unternehmensweite Betriebsvereinbarung zur Klarstellung der Freiwilligkeit an.


Grenzen der Arbeitszeiterfassung durch den Datenschutz

Zudem bleibt auch der Grundsatz der Zweckbindung bestehen! Die Erfassung der Arbeitszeit erfolgt (abgesehen bei Mitarbeitern auf Stundenlohnbasis) lediglich zum Nachweis der geleisteten Arbeitszeit und der Einhaltung der Ruhephasen. Daraus ergibt sich, dass die gewonnenen Daten nicht zu weiteren Zwecken, beispielsweise zur Bewertung der Arbeitsleistung des Mitarbeiters, herangezogen werden dürfen. Die Erstellung eines Bewegungsprofils oder die Auswertung der „Pinkelpausen“ wird ebenfalls über den Zweck der Verarbeitung hinausgehen.

Auch in Bezug auf die Speicherdauer muss der Datenschutz beachtet werden. Nach Arbeitszeitgesetz sind die Nachweise zum Arbeitszeitgesetz für 2 Jahre aufzubewahren. Darüber hinaus werden abweichende Regelungen zur Arbeitszeit (gem. §7 ArbZG) im Rahmen einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer oder auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung für die Dauer der Vereinbarung aufzubewahren sein.

In beiden Fällen gilt jedoch, dass die Daten vernichtet werden müssen, wenn der Zweck der Datenverarbeitung entfallen ist, also spätestens, wenn keine Aufbewahrungspflicht mehr besteht.

Durch die Zweckbindung kann auch die Vertraulichkeit abgeleitet werden. Die erfassten Arbeitszeiten dürfen also nicht frei im Unternehmen zugänglich sein, sondern der Zugriff ist auf die Personen zu beschränken, die zur Erfüllung des Zwecks mit den Daten arbeiten müssen. Im Falle der Arbeitszeiterfassung ist dies der betroffene Mitarbeiter und in der Regel die Personalabteilung.


Ein Blick in die Zukunft

Bereits vor der BAG-Entscheidung war die Bundesregierung vom EuGH beauftragt, die europäischen Vorgaben zur Arbeitszeiterfassung ins nationale Recht umzusetzen. Die Umsetzung wurde bisher versäumt. Ein neuer Anlauf soll nun erfolgen, wobei handhabbare Lösungen versprochen werden.

Wie die Neuregelung der Arbeitszeiterfassung genau aussehen wird, ist derzeit unbekannt. Ebenfalls unklar ist, ob weiterhin eine analoge Erfassung möglich sein wird, oder ob die Unternehmen zur digitalen Zeiterfassung verpflichtet werden.

Ziemlich sicher ist hingegen, dass der Gesetzgeber durch die Vorgaben von BAG und EuGH eine Arbeitszeiterfassung auch gesetzlich verankern wird.

Übrigens ist aktuell auch noch unklar, ob die Arbeitszeit von leitenden Angestellten ebenfalls zu erfassen ist. Die BAG-Entscheidung stützt sich maßgeblich auf das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG), worin leitenden Angestellte jedoch gem. §13 Abs. 1 Nr. 4 als verantwortliche Personen betrachtet werden können und daher möglicherweise nicht zu den Beschäftigten gem. §2 Abs. 2 ArbSchG zählen. Dies wäre eine Frage für einen Fachanwalt für Arbeitsrecht und wird hoffentlich auch durch das zu erwartende neue Gesetz zur Arbeitszeiterfassung geregelt.


Unsere Mandanten erhalten zusätzlich zu diesem Beitrag eine Handlungsempfehlung per E-Mail.

Wir werden berichten, sobald wir neue Erkenntnisse erhalten, bzw. die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes beschlossen ist!


Quellen

BAG-Entscheidung vom 13.09.2022 (Az. 1 ABR 22/21)

Hubertus Heil verspricht „handhabbare“ Lösung zur Arbeitszeiterfassung

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